Frauen fordern mehr Rechte in der Kirche

Mit Trommeln, Rasseln und Schellen bezeugten rund 500 Frauen und auch Männer aus dem gesamten Bistumsgebiet am Samstag bei einer Demonstration durch die Essener Innenstadt ihren Unmut gegenüber der AmtskircheUnmut gegenüber der Amtskirche: Der Missbrauchsskandal und seine schleppende Aufarbeitung, die fehlende Reformbereitschaft und klerikal-autoritäre Machtstrukturen, die von Männern dominiert werden,  haben die Teilnehmerinnen auf die Straße gebracht.

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Zur Demonstration unter dem Motto „Es ist fünf nach zwölf für unsere Kirche“ hatte der Diözesanverband der Katholischen Frauen Deutschlands (kfd) nach Essen geladen. Schon eine Stunde vor Beginn treffen die ersten Teilnehmerinnen auf dem Willy-Brand-Platz ein. Mit Schildern und Plakaten wollen sie ihren Unmut kundtun. „Wir können das alles nicht. mehr hinnehmen!“, sagt Gudrun Bücher.

Aus Lüdenscheid ist sie mit drei kfd-Kolleginnen gegen 9 Uhr losgefahren. Jahrzehntelang haben sich die vier in der Gemeinde St. Maria Königin für ihren Glauben aktiv engagiert. Nun stehen sie für die Erneuerung ein und fordern mehr Rechte als Frauen. „Die katholische Kirche ist verknöchert und muss reformiert werden“, führt Petra Linnemann aus der Gruppe hinzu. Die 57-Jährige hat – wie die meisten an diesem Tag – keine Erfahrungen mit Demonstrationen. Aber heute musste sie mit. So denken auch viele andere. „Keine Gemeinde steht allein“, freut sich Linnemann über die vielen kfd-Schwestern aus allen Teilen des Ruhrbistums. „Das gibt uns Kraft und Mut.“

Mit Schellen und Pfeifen marschieren die Frauen dann begleitet von Polizisten und Ordnern durch die Fußgängerzone. Sie rufen „wir sind stark und wir sind viele, wir erreichen unsre Ziele.“ Vorneweg laufen Angelika Schaffeld und Musiker Richard Antonio und schlagen auf große Trommeln. Beeindruckt von so viel friedlicher Frauen-Power schließen sich spontan auch Passantinnen dem bunten Demonstrationszug an. „Frauen, worauf
warten wir, Gleichheit fordern jetzt und hier!“ erschallt es auf dem Weg zur auch „Dom“ genannten Münsterkirche. Die Stimmung ist gut. Mit dabei sind auch die Bewegung Maria 2.0 im Bistum Essen sowie die Initiative „#NichtmitUns…!“ aus der Essener Pfarrei St. Josef Essen-Ruhrhalbinsel.

„Wir tragen Verantwortung in unseren Familien, im Beruf, in Gemeinden und Verbänden, in der Gesellschaft. Aber in der Kirche werden wir behandelt, als wären wir unmündige Kinder und nicht in der Lage, Entscheidungen zu treffen. Wir akzeptieren das nicht mehr!“, fasst Christel Misz vom Diözesanvorsitzenden-Team der kfd Essen die Beweggründe der Demonstrantinnen zusammen. „Die Ungeduld steigt“, meint Helga Engemann, Sprecherin von „#NichtmitUns…!“ aus Burgaltendorf. Mit einem Kirchenstreik der Ehrenamtlichen hatte man im Mai bereits öffentlich gegen bestehende Machtstrukturen der Amtskirche protestiert.

An der Münsterkirche werden die Frauen von Dompropst Thomas Zander begrüßt, in Vertretung von Bischof Overbeck. Das „Fenster der Veränderung sei vom Papst geöffnet worden“, ermutigt er die Frauen. Auch Weihbischof Ludger Schepers und Generalvikar Klaus Pfeffer wohnen der Kundgebung teil. Aus Berlin angereist ist Prof. Agnes Wuckelt. Die stellvertretende kfd-Bundesvorsitzende
versprüht in ihrer engagierten Rede auf der großen Bühne viel Mut und Energie und verleiht den Forderungen Nachdruck. Dass die katholische Kirche die Bewegung ernst nehmen muss, steht für die Demonstrantinnen außer Zweifel. Eine wirkliche Gleichberechtigung beider Geschlechter mit Zugang zu allen kirchlichen Diensten und Ämtern scheint überfällig. „Steh` auf, bewege dich“, singen die Teilnehmerinnen zum Abschluss der Kundgebung. Und dann brechen sie auf in ihre Heimatgemeinden.

Den Weg hin zu einer modernen Kirche wollen alle weitergehen. Aktionen wie Dienstagsgebete und Mahnwache sind geplant. Die Frauen wollen fortan „der Stachel im Fleisch der Amtskirche sein“, wie Elisabeth Hartmann-Kulla, Sprecherin der Initiative Maria 2.0 formuliert. Mit 71 Jahren demonstriere auch sie erstmals öffentlich bei einer Kundgebung. „Es ist höchste Zeit für katholische Frauen, die Stimme zu erheben und Flagge zu zeigen,“ so Frauke Westerkamp vom Essener kfd-Vorstand. „Tragen Sie den Schwung und die Kraft aus diesen Stunden nach Hause und seien Sie dabei bei der Erneuerung unserer Kirche. Frauen, worauf warten wir?“

Asgard Dierichs