Der Mainzer katholische Bischof Peter Kohlgraf hält nichts von dem Vorwurf, die Kirche laufe dem „Zeitgeist“ hinterher.
Vallendar – Der Mainzer katholische Bischof Peter Kohlgraf hält nichts von dem Vorwurf, die Kirche laufe dem “Zeitgeist” hinterher. Eine solche Kirche sei für manche Gläubige eine Schreckensvision, und “nicht selten ist dies ein Totschlagargument gegen jede Neuerung”, schreibt er in einem Beitrag für die Zeitschrift “basis”, die von der Schönstatt-Bewegung herausgegeben wird. “Bischöfe werden schnell als zeitgeistig beschimpft, wenn sie sich auf kritische Anfragen einlassen. Ich behaupte: Die Kirche und ihre großen Theologen waren immer auch zeitgeistig.”
Kohlgraf: Große Theologe immer im Dialog mit dem Zeitgeist entstanden
Schon in den ersten christlichen Jahrhunderten hätten große Theologen nicht einfach biblische Texte wiederholt, sondern sie übersetzt in die “Verstehenswelt ihrer Zeit und ihrer Umwelt”. Dadurch habe es immer auch “nicht die eine Form der christlichen Lehre” gegeben, sondern verschiedene Ausformungen, “die sich teilweise sogar heftig widersprechen”. Große Theologie, so der Bischof weiter, sei immer durch den Dialog mit dem sogenannten Zeitgeist entstanden: “Natürlich haben Verkündigung und Theologie nicht einfach gedankenlos intellektuelle Moden bestätigt. Das Evangelium blieb der Maßstab geistlicher Unterscheidung, aber innerhalb dieses Rahmens war viel möglich.”
Heute dagegen “beißen sich bestimmte Gruppen an Reizthemen fest”, kritisierte Kohlgraf: “Wer nicht bestimmte Meinungen vertritt, ist eben zeitgeistig – und damit nicht mehr katholisch.” Angesichts des “weiten Atems der Tradition” halte er dies aber für eine “armselige Verengung” der Botschaft des Evangeliums.
Ängstlichkeit vor neuen Erkenntnissen nicht katholisch
Scheinbar unveränderliche Wahrheiten entpuppten sich bei genauerem Hinsehen als “Geist” der entsprechenden Zeit, nicht der gesamten Tradition, ergänzte der Mainzer Bischof: “Ängstlichkeit vor neuen Erkenntnissen war – außer in recht kurzen Zeitspannen – jedenfalls nie wirklich katholisch, auch nicht die geistige und geistliche Wagenburg.”
Das bedeute nicht, dass man alles Moderne gut finden müsse, “aber eben auch nicht dessen automatische Verteufelung”. Katholisch sein heiße auch, Widersprüche auszuhalten, Neues zu integrieren und mutig sich dem Gespräch mit der Zeit und ihren Erkenntnissen zu stellen: “Oft wünsche ich mir den Mut zu einem wahren Katholisch-Sein, ohne Denkverbote und Kleingeistigkeit. Viele Heilige haben es uns vorgemacht.”