Antisemitismus-Experte sieht wachsenden Judenhass in Deutschland

Einen wachsenden Judenhass in Deutschland sieht der Projektleiter der Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (Rias) in Nordrhein-Westfalen, Jörg Rensmann. 
Antisemitismus-Experte sieht wachsenden Judenhass in Deutschland Düsseldorf – Einen wachsenden Judenhass in Deutschland sieht der Projektleiter der Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (Rias) in Nordrhein-Westfalen, Jörg Rensmann. Die womöglich aus dem Ausland koordinierten antisemitischen Anschlagspläne im Ruhrgebiet seien mit einem tief in der Gesellschaft verankerten Antisemitismus verwoben, sagte er in einem Interview mit der Rheinischen Post (Montag): "Was wir daran sehen, ist, dass Antisemitismus ein Phänomen ist, das über verschiedene Milieus hinweg verbindend wirkt - hier gegebenenfalls mit der organisierten Schwerkriminalität."

Die Alte Synagoge in Essen. Foto: Boris Breytman | Dreamstime.com

Einen wachsenden Judenhass in Deutschland sieht der Projektleiter der Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (Rias) in Nordrhein-Westfalen, Jörg Rensmann. Die womöglich aus dem Ausland koordinierten antisemitischen Anschlagspläne im Ruhrgebiet seien mit einem tief in der Gesellschaft verankerten Antisemitismus verwoben, sagte er in einem Interview mit der Rheinischen Post (Montag): „Was wir daran sehen, ist, dass Antisemitismus ein Phänomen ist, das über verschiedene Milieus hinweg verbindend wirkt – hier gegebenenfalls mit der organisierten Schwerkriminalität.“

Problem nicht einzeln Bevölkerungsgruppen zuordnen

Antisemitisch unterlegte Gruppen seien sich darin einig, ihre Einstellung in gewaltvolle Taten umzusetzen, fügte er hinzu. Zur Diskussion über Antisemitismus in islamisch geprägten Kreisen oder unter Zuwanderern sagte Rensmann: „Ich warne sehr deutlich davor, das Problem bestimmten Bevölkerungsgruppen, Segmenten oder Milieus zuzuordnen. Es gibt einen rechten bis rechtsextremen Antisemitismus, einen linken, einen islamistischen und einen in der gesellschaftlichen Mitte.“

Das sei im Übrigen nicht unbedingt eine Frage der Bildung, ergänzte der Experte: „Wir erleben heute, dass sehr gebildete Personen überhaupt kein Problem damit haben, jüdischen oder als jüdisch gelesenen Einrichtungen entsprechende Zuschriften zu schicken – unter voller Namensnennung.“ Da habe sich mitten in der Gesellschaft der Rahmen dessen verändert, was Menschen für „sagbar“ hielten: „Mit anderen Worten: Wir haben es mit einem offenen und virulenten Antisemitismus zu tun, der alle Bevölkerungsteile und Schichten und auch alle politischen Ausrichtungen umfasst.“

Antisemitismus-Experte sieht Nachholbedarf bei vielen Behörden

Nachholbedarf im Kampf gegen Judenfeindlichkeit sieht Rensmann bei vielen deutschen Behörden. „Die Staatsanwaltschaften müssen sich die modernen Erscheinungsformen von Antisemitismus vergegenwärtigen, Polizistinnen und Polizisten müssen sensibilisiert werden“, sagte der Rias-Projektleiter. Antisemitische Taten würden oft nicht ernstgenommen und vor allem gar nicht als judenfeindlich erkannt. Verwaltungsbehörden und vor allem Polizei und Justiz bräuchten Leitfäden dazu, wie Judenfeindlichkeit sich heute im Alltag artikuliert.

„Dann wäre schon ein wichtiger Fortschritt erreicht“, so Rensmann weiter: „Und wir alle, Bürger und Staat, müssen die Gefahr zur Kenntnis nehmen und die Entwicklung so ernst nehmen, wie die jüngsten Ereignisse im Ruhrgebiet es nahelegen.“ Moderner Antisemitismus zeige sich in vielen Varianten, fügte der Experte hinzu: „Drohungen gegen Personen oder Institutionen bis hin zu Gewalttaten, aber auch verletzendes Verhalten: antisemitische Äußerungen, Beschimpfungen, Kommentare im Internet. Plakate auf Kundgebungen. Jüdische Einrichtungen werden beschädigt. Es gibt Antisemitismus in Rap-Musik, was eine große Gefahr für junge Menschen ist, wenn wir es nicht ansprechen. Zu modernem Antisemitismus zählen auch die Relativierung der Schoah oder israelbezogene Judenfeindlichkeit.“

rwm/kna