Betroffene zu Kardinal Hengsbach: Kirche verzögerte Aufklärung

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Nach Veröffentlichung der Missbrauchsvorwürfe gegen den 1991 verstorbenen Kardinal Franz Hengsbach fordert die Betroffenen-Initiative “Eckiger Tisch” eine Untersuchung durch eine unabhängige Kommission.
Nach Veröffentlichung der Missbrauchsvorwürfe gegen den 1991 verstorbenen Kardinal Franz Hengsbach fordert die Betroffenen-Initiative "Eckiger Tisch" eine Untersuchung durch eine unabhängige Kommission.

Der Dom von Essen. –Foto: Nicole Cronauge | Bistum Essen

Nach Veröffentlichung der Missbrauchsvorwürfe gegen den 1991 verstorbenen Kardinal Franz Hengsbach fordert die Betroffenen-Initiative “Eckiger Tisch” eine Untersuchung durch eine unabhängige Kommission. Es gebe immer noch viele zu klärende Fragen, erklärte die Organisation am Dienstag in Berlin: “Weshalb wurden die Vorwürfe, die in den Bistümern Paderborn und Essen vorlagen, nicht zusammengeführt? Wer hat die Voruntersuchung in Deutschland geführt? Wer hat in Rom für eine Einstellung der Ermittlungen gesorgt? War es etwa der ehemalige deutsche Papst und vormalige Chef der Glaubenskongregation Joseph Ratzinger?”

Die Initiative forderte weiter: “Es muss endlich Schluss sein damit, dass die Kirche oder von ihr beauftragte Gremien die Missbrauchsverbrechen und den Umgang mit diesen Fällen selbst aufzuklären versucht.” Nachdem der Bundestag bis heute keine Untersuchungskommission beauftragt habe, müsse der nordrhein-westfälische Landtag eine Wahrheitskommission für die dortigen Bistümer einrichten.

Das Bistum Essen teilte am Dienstag mit, dass Hengsbach (1910-1991) drei sexuelle Übergriffe vorgeworfen werden. Mindestens ein Vorwurf bezieht sich auf eine Minderjährige. Die jüngste Anschuldigung gegen den Gründerbischof des Bistums Essen sei im Oktober 2022 erhoben worden. Angaben über die Art des Übergriffs, das Geschlecht oder das Alter macht das Bistum in diesem Fall nicht und begründet dies mit dem Schutz der Persönlichkeitsrechte der betroffenen Person.

Zwei weitere Anschuldigung stammten bereits aus dem Jahr 2011. Eine davon sei von der in diesem Fall betroffenen Person aber wieder zurückgezogen worden, da die Schilderungen aufgrund verschwommener Erinnerungen falsch gewesen seien.

Der andere Vorwurf aus dem Jahr 2011 sei damals vom Vatikan als nicht plausibel eingestuft worden. Er bezieht sich sich auf das Jahr 1954 und damit auf Hengsbachs Zeit als Weihbischof in Paderborn. Im Zuge der jüngsten Nachforschungen sei die Anschuldigung aber noch einmal geprüft und jetzt als glaubwürdig bewertet worden, teilte das Erzbistum Paderborn ebenfalls am Dienstag mit.

Eine Frau habe angegeben, dass sie als 16-Jährige von Franz Hengsbach und dessen Bruder Paul sexuell missbraucht worden sei. Der 2018 verstorbene Bruder war auch Priester des Erzbistums und hatte die Vorwürfe vehement bestritten. Bei einer neuerlichen Prüfung seines Personalaktenbestands sei aufgefallen, dass bereits 2010 eine weitere Frau Missbrauchsvorwürfe gegen ihn erhoben hatte. Auch dieser Fall sei erst als nicht greifbar eingestuft worden. Nach einer Beschwerde und nach erneuter Prüfung habe die Betroffene aber 2019 und noch einmal 2022 Zahlungen der Kirche in Anerkennung ihres Leids erhalten.

kna