Wissenschaftlerin: Unterschiedliche Arten des Denkens anerkennen

Werbung
Manche Menschen denken hauptsächlich in Bildern, andere räumlich, wieder andere sprachlich – und all diese Formen braucht es nach Worten von Temple Grandin.

Manche Menschen denken hauptsächlich in Bildern, andere räumlich, wieder andere sprachlich – und all diese Formen braucht es nach Worten von Temple Grandin. “Wir müssen anerkennen, dass es unterschiedliche Denkweisen gibt und dass sie unterschiedliche Fähigkeiten mitbringen”, sagte die Tierwissenschaftlerin der Zeitschrift Psychologie Heute (Januar-Ausgabe). Sie mache sich Sorgen um Menschen wie sie selbst, die eher visuell dächten und im Bildungssystem häufig aussortiert würden, “zum Beispiel, weil sie sich mit höherer Mathematik sehr schwertun”.

Dabei könnten visuelle Denker häufig gut mit Tieren umgehen, und beispielsweise Tierärzte bräuchten eher keine höhere Mathematik. Diese Anforderung könne Menschen aber von einem entsprechenden Studium abhalten, warnte Grandin. Dass auch Tiere ein Bewusstsein haben könnten, werde zumeist von verbal denkenden Menschen in Frage gestellt. “Für mich dagegen liegt auf der Hand, dass ein Hund auf andere Weise denkt. Seine Erfahrungen sind geprägt vom Riechen, Sehen, Hören. Es ist eine Welt der Sinne, keine Welt der Worte.”

Schulen müssten Möglichkeiten bieten, um sich handwerklich und künstlerisch zu erproben, betonte die Expertin. Darüber hinaus brauche es in der Berufswelt wechselseitige Anerkennung. “Man hört immer wieder, dass die Künstlerinnen die Buchhalterinnen nicht mögen und so weiter.” Dabei könnten beide voneinander profitieren, da man für viele Aufgaben unterschiedliche Stärken und Fähigkeiten brauche.

Wie sich die unterschiedlichen Arten des Denkens auf die Bevölkerung verteilten, sei noch zu wenig erforscht, erklärte Grandin. Sie sprach sich indes gegen vorschnelle Labels aus, etwa im Bereich von Autismus-Spektrum-Störungen. “Eines der Probleme ist, dass man für alle Menschen mit Autismus die gleiche Bezeichnung verwendet. Das reicht von einer Person wie Einstein – jemand, der erst im Alter von drei, vier Jahren die Sprachfähigkeit entwickelt hat – bis hin zu jemandem, der so stark beeinträchtigt ist, dass er sich nicht selbst anziehen kann.” Zudem liege vermutlich bei vielen Menschen eine “Mischform” verschiedener Denkformen vor.

kna