„Der Frust ist groß“– Kirchenstreik der Frauen von „Maria 2.0“ an hunderten Orten

Die Initiative von fünf Münsteranerinnen hat sich zu einer bundesweiten Protestwelle entwickelt: Die Bewegung „Maria 2.0“ demonstriert an hunderten Orten gegen eine männerdominierte Kirche.

Mit einer solchen Resonanz haben die fünf Münsteranerinnen aus der Gemeinde Heilig Kreuz selbst nicht gerechnet. Ihr Aufruf zu einem Kirchenstreik gegen Männerdominanz bei den Katholiken hat sich wie ein Lauffeuer verbreitet und eine bundesweite Protestwelle losgetreten. Frauen an hunderten von Orten beteiligen sich an der Initiative „Maria 2.0“ und bestehen gerade nach dem Missbrauchsskandal auf einer Erneuerung der Kirche. Ganz laut ist der Ruf nach der Priesterweihe für Frauen.

Wortgottesdienst vor der St.-Clemens-Kirche in Sterkrade (Foto: Spernol)

„Der Frust und die Sehnsucht nach Neubeginn in der Kirche ist groß“, sagt Mitinitiatorin Lisa Kötter mit Blick auf die Resonanz. An der „Graswurzelaktion“ beteiligten sich auch viele ältere Menschen und zu einem Drittel Männer. Genaue Zahlen kann die von dem überwältigenden Zuspruch überraschte Kleingruppe nicht nennen; schätzungsweise nähmen mehrere hundert Initiativen teil. Auch international gibt es Resonanz, wie die umfangreiche Liste von Presseartikeln auf der Website „Maria 2.0“ zeigt.

Bis kommenden Samstag wollen die Frauen kein Gotteshaus betreten und keine ehrenamtlichen Dienste verrichten. Am Sonntag fanden vielerorts Gottesdienste in Eigenregie vor den Kirchentüren statt – ein Statement für veränderte Machtstrukturen und gegen die Zölibatspflicht für Priester.

So auch im Bistum Essen – in Essen, Gladbeck, Kierspe und Oberhausen. Rund 50 Christinnen und einige wenige solidarische Christen fanden sich am Samstag vor der St. Clemens-Kirche in Sterkrade zu einem Wortgottesdienst zusammen – um „zehn nach zwölf“. Denn für Frauen wie Irmtraud Köster und Margarete Küper-Ekers ist dringend der Zeitpunkt gekommen, die Frauen in der Kirche endlich voll gleichzustellen. „Es ist schon zehn nach zwölf“, sagte Köster. Küper-Ekers betone, „wir Frauen lieben Kirche, aber nicht so, wie sie momentan ist.“ Jesus habe sich bekanntlich als „Wort Gottes“ bezeichnet. Und so hieß es in einem Gebet am Samstag: „Wenn eine Frau das Wort geboren hat, warum sollten Frauen dann das Wort nicht von der Kanzel künden?“

Rund 150 Frauen und auch Männer feierten am Sonntagmorgen eine Andacht vor der St.-Lamberti-Kirche in Gladbeck während drinnen Propst André Müller den Sonntagsgottesdienst feierte. „Fassungslos, enttäuscht und wütend stehen wir vor dem Scherbenhaufen, zu dem unsere Kirche geworden ist“, sagte Mitinitiatorin Elisabeth Labas in einer Ansprache während der Andacht. „Wenn es den Männern in der Kirche bisher nicht gelungen ist, den Verfall aufzuhalten, wenn manche von ihnen zu dem Verfall beigetragen haben oder noch beitragen, vielleicht gelingt es uns Frauen, das Steuer des Kirchenschiffs herumzureißen.“ Propst Müller suchte das Gespräch und zeigte Verständnis. Die Initiative sei ein kleiner Schritt hin zu einem nachvollziehbaren Ziel.

Vor dem Dom in Münster kamen weit mehr als 500 Frauen zu einer Mahnwache zusammen. Bei einem Wortgottesdienst ohne Kommunionfeier prangerte Initiatorin Kötter die „unzeitgemäße und ungerechte Benachteiligung der Hälfte der getauften Kinder Gottes“ in der Kirche an. Am Ende zogen die Teilnehmer zum nahen Bischofshaus und baten singend um das Kommen des Heiligen Geistes.

In Freiburg demontrierten rund 400 rot gekleidete Aktivistinnen vor dem Münster, während Erzbischof Stephan Burger im Gotteshaus sechs Männer zu Priestern weihte. „Auch ich kann Priester!“, hat eine Aktivistin auf ihr Plakat geschrieben – „Jesus ist den Frauen immer auf Augenhöhe begegnet“ eine andere: „Die Zeit einer männerdominierten Kirche muss enden“, sagt Demo-Mitorganisatorin Eveline Viernickel.

Burger macht in seiner Predigt und in an die Gottesdienstteilnehmer verteilten Handzetteln deutlich, dass er Enttäuschung und Frust der Frauen zwar verstehen könne, ihm aber kirchenrechtlich die Hände gebunden seien. Rom habe wiederholt deutlich gemacht, dass es keine Priesterinnen geben könne, sagt der Erzbischof. Und auch Papst Franziskus habe zuletzt betont, „in absehbarer Zeit“ nicht über eine mögliche Erlaubnis zu Diakoninnenweihe entscheiden zu wollen. „Diese Spannung kann ich nicht auflösen, ich muss sie aushalten“, so der Bischof. Im direkten Gespräch mit den Demonstrantinnen betont der Erzbischof, er sei froh über das Engagement der Katholikinnen. „Ich werde alles tun, um Frauen vor Ort weiter zu fördern. Ich habe ihre Botschaft verstanden.“

„Unsere Geduld ist am Ende“, sagt währenddessen die stellvertretende Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Claudia Lücking-Michel, dem ZDF. Ihre Kinder und Freunde fragten sie immer wieder, wie sie einer Organisation angehören könne, die Frauen ausschließe. Bei der Kirchenspitze stößt „Maria 2.0“ auf ein geteiltes Echo. „Die deutschen Bischöfe verstehen die Unruhe“, sagte der Pressesprecher der Deutschen Bischofskonferenz, Matthias Kopp. Reformen könne es aber nur „Stück für Stück“ geben. Streik sei da nicht das richtige Mittel.

Münsters Bischof Felix Genn wollte auf Anfrage die Aktionswoche nicht bewerten. Er wies aber auf den Beschluss der deutschen Bischöfe, über den Zölibat, die Sexualmoral der Kirche und den „nötigen Machtabbau“ bei Klerikern in einer breit angelegten Debatte zu reden. Dieser sogenannte Synodale Weg greife die Themen von „Maria 2.0“ auf.

Vor allem erzkonservative Gruppierungen wie das Forum Deutscher Katholiken üben massive Kritik an dem Streik. Papst Johannes Paul II. habe vor 25 Jahren endgültig festgelegt, dass die Kirche keine Vollmacht habe, Frauen zu Priestern zu weihen. Das Forum rief Frauen auf, aus dem Katholischen Deutschen Frauenbund auszutreten und eine neue glaubenstreue Organisation zu gründen.

Der Freiburger Erzbischof Stephan Burger – und betonte zugleich, dass das Kirchenrecht derzeit keinen Spielraum für Reformen lasse. Wie letztverbindlich die Aussage des früheren Papstes sind, das werde derzeit „kontrovers diskutiert“. ZdK-Präsident Thomas Sternberg betonte am Sonntag, die Priesterweihe für Frauen müsse weltkirchlich entschieden werden.

Paderborns Generalvikar Alfons Hardt machte deutlich, dass die Initiative von Frauen getragen werde, „denen die Kirche am Herzen liegt“ und durch deren teils jahrzehntelanges Engagement Gemeinden lebendig seien. Ihre Sorge um die Zukunft der Kirche sei „eine Motivation, die ich in hohem Maße wertschätze“. Zugleich sprach Hardt aber auch von der Gefahr, dass neue Brüche entstehen.

„Bloße Gespräche reichen uns aber nicht mehr“, sagt die Freiburger Aktivistin Sigrid Striet. Die Kirche könne nur dann ihre Glaubwürdigkeit zurückgewinnen, wenn Frauen geweiht würden und damit ein Zeichen der vollen Gleichberechtigung gesetzt werde. „Dass es aber noch immer keine Bereitschaft gibt, die klerikalen Strukturen grundlegend zu verändern, das macht mich wütend, darum protestiere ich heute.“

Die Organisatorinnen sprechen vom letzten Versuch. Zu viele ehemals kirchlich Engagierte hätten sich schon abgewandt. Und dann singen die Demonstrantinnen: „Wenn viele gemeinsam träumen, ist das der Beginn einer neuen Wirklichkeit!“ Und Organisatorin Viernickel kündigt an, nicht klein beizugeben. „Die Montagsdemonstrationen haben auch eine Weile gebraucht, bis sie ihr Ziel erreichten.“

kna/rwm