Der Sprecher der Betroffeneninitiative “Eckiger Tisch”, Matthias Katsch, kritisiert die Entscheidung von Papst Franziskus, den Amtsverzicht von Kardinal Reinhard Marx nicht anzunehmen.
Berlin – Der Sprecher der Betroffeneninitiative “Eckiger Tisch”, Matthias Katsch, kritisiert die Entscheidung von Papst Franziskus, den Amtsverzicht von Kardinal Reinhard Marx nicht anzunehmen. Damit nehme der Papst dem Rücktrittsangebot des Münchner Erzbischofs die Wucht, sagte Katsch am Donnerstag in Berlin.
Marx zielte laut Katsch mit seiner Erklärung auf die Verantwortung aller Bischöfe für ein System aus Missbrauch und Vertuschung in der Kirche. “Der Papst moderiert diese erschütternde Einsicht jetzt einfach weg und entlastet damit auch sein eigenes Amt. Besonders erschreckend ist aber, wie der Papst in seiner Erklärung versucht, die Verantwortung für Machtmissbrauch und Missbrauchsvertuschung durch Bischöfe weltweit zu relativieren, indem er darauf verweist, dass früher eben ‘andere Zeiten’ gewesen seien”, kritisierte der Sprecher der Betroffeneninitiative. Von dem radikalen Neuanfang, den das Rücktrittsgesuch von Kardinal Marx andeutete, sei jetzt wenig geblieben. “Der Papst sollte endlich anfangen, den Betroffenen wirklich zu zuhören”, so Katsch.
Die Entscheidung von Papst Franziskus, das Rücktrittsgesuch von Kardinal Reinhard Marx nicht anzunehmen, stößt bei Kirchenvertretern unterdessen auf Zustimmung. So sagte der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Thomas Sternberg: “Ich bin – nicht zuletzt mit dem Blick auf den Synodalen Weg – froh, dass Kardinal Marx uns als starke Stimme erhalten bleibt.” Die Entscheidung aus Rom zeige, “dass die angebliche Unzufriedenheit über den Synodalen Weg in Deutschland der vielschichtigen Realität nicht entspricht”, sagte Sternberg der “Rheinischen Post” am Donnerstag. Zudem hätten die Reaktionen auf Marx’ Angebot gezeigt, “dass er ein sehr hohes Ansehen genießt und man den Ernst, wie er mit der extrem schwierigen Lage der katholischen Kirche in Deutschland umgeht, sehr gewürdigt hat”, so der Präsident des höchsten deutschen katholischen Laiengremiums.
Auch in Marx’ Erzbistum München und Freising wurde die Ablehnung des Rücktrittsgesuchs gewürdigt. Domdekan Lorenz Wolf sagte der Katholische Nachrichten-Agentur (KNA): “Ich bin froh und dankbar, dass der Papst schnell entschieden hat und Kardinal Marx seine Aufgaben weiter erfüllen kann.” Stadtpfarrer und Bestseller-Autor Rainer Maria Schießler sprach von einer “frohen Botschaft”. Dies gelte sowohl mit Blick auf eine konsequente Aufarbeitung des Missbrauchsskandals als auch den Fortgang des Synodalen Weges. Der Papst habe Marx “sehr viele Mittel in die Hand gegeben gegen die notorischen Kritiker des Synodalen Weges”. Die schnelle Reaktion des Papstes sei für ihn ein Zeichen, dass es enge Absprachen zwischen Franziskus und Marx gegeben habe. Schießler zog einen Vergleich aus dem in Bayern beliebten Kartenspiel Schafkopf: “Der Kardinal hat echt einen Schneider rausgehauen, den höchsten Trumpf, nämlich sich selbst als Erzbischof. Und er hat den Stich gemacht.”
Die Vorsitzende des Katholikenrats der Region München, Hiltrud Schönheit, sagte der KNA, sie freue sich, dass die Hängepartie für das Erzbistum schnell beendet sei. “Für München ist es wunderbar.” Sie frage sich jedoch nach der Lektüre des Papst-Briefes, ob dieser verstanden habe, was Marx habe sagen wollen. Als Punkte nannte sie die Aussage des Kardinals, wonach Teile des Episkopats nicht die strukturellen und systemischen Voraussetzungen für Missbrauch akzeptieren wollten. Auch das “Sensationelle” im Gesuch des Kardinals, in dem er auch von eigenen Fehlern gesprochen habe, finde wenig Widerhall. Ferner sei von der Perspektive der Betroffenen, die Marx umgetrieben habe, “nicht so richtig was zu sehen” in dem Schreiben von Franziskus.
Marx hatte dem Papst in einem Brief, der am vergangenen Freitag bekannt wurde, seinen Rückzug angeboten. Darin schrieb der Münchner Erzbischof: “Im Kern geht es für mich darum, Mitverantwortung zu tragen für die Katastrophe des sexuellen Missbrauchs durch Amtsträger der Kirche in den vergangenen Jahrzehnten.” Auch Kardinal Marx wird in seiner Zeit als Bischof von Trier Fehlverhalten im Umgang mit möglichen Missbrauchsfällen vorgeworfen. Papst Franziskus forderte nun Marx auf, weiter im Amt zu bleiben. “Das ist meine Antwort, lieber Bruder. Mach weiter, so wie Du es vorschlägst, aber als Erzbischof von München und Freising”, schreibt der Papst in einem dreiseitigen Brief an Marx, den der Vatikan am Donnerstag veröffentlichte.
Unterdessen erklärte BDKJ-Bundesvorsitzender Gregor Podschun: „Der angebotene Amtsverzicht von Reinhard Kardinal Marx bleibt auch nach der Ablehnung durch Papst Franziskus ein wertvolles Zeichen persönlicher Verantwortungsübernahme für den Machtmissbrauch und die sexualisierte Gewalt durch Kleriker in der katholischen Kirche.“ Neben Kardinal Marx habe auch Bischof Georg Bätzing, Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz, die Dringlichkeit der notwendigen weitreichenden Reformen in eindrucksvoller Deutlichkeit betont.
„Eine Annahme des Amtsverzichts von Kardinal Marx durch Papst Franziskus hätte gezeigt, dass auch Rom sich bewusst ist, in welcher dramatischen Lage sich die Kirche befindet. Man hätte zeigen können, dass respektiert wird, wenn ein angesehener Bischof nach sorgsamer Reflexion die bewusste Entscheidung trifft, aus einer Mitverantwortung für die systemischen Gründe für sexualisierte Gewalt persönliche Konsequenzen zu ziehen“, sagte Podschun. Es zeige sich immer deutlicher, „dass wir uns dafür im Synodalen Weg gemeinsam mit allen Synodalen, welche die Wissenschaftlichkeit der MHG-Studie und damit ihre Ergebnisse anerkennen, noch stärker für dezentrale Lösungen für die Kirche in Deutschland einsetzen müssen“.
Der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, hat mit Erleichterung darauf reagiert, dass Kardinal Reinhard Marx im Amt bleibt. Der Limburger Bischof freue sich auf die Fortsetzung der Zusammenarbeit mit dem Erzbischof von München und Freising, teilte der Sprecher der Bischofskonferenz, Matthias Kopp, am Donnerstag der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) in Bonn mit. Der Sprecher der Bischofskonferenz betonte nun: “Der nächste Ständige Rat ist der Ort, wo die Bischöfe über die Gesamtlage der Kirche in Deutschland sprechen werden.”