Kritik an Woelki wächst: Stetter-Karp für „Ende mit Schrecken“

Nach Bekanntwerden der staatsanwaltlichen Ermittlungen gegen Kardinal Rainer Maria Woelki mehren sich die Stimmen, die eine rasche Entscheidung über die Zukunft des Kölner Erzbischofs fordern.
Düsseldorf –  Nach Bekanntwerden der staatsanwaltlichen Ermittlungen gegen Kardinal Rainer Maria Woelki mehren sich die Stimmen, die eine rasche Entscheidung über die Zukunft des Kölner Erzbischofs fordern.

Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki. –Foto: Synodaler Weg/Maximilian von Lachner

Nach Bekanntwerden der staatsanwaltlichen Ermittlungen gegen Kardinal Rainer Maria Woelki mehren sich die Stimmen, die eine rasche Entscheidung über die Zukunft des Kölner Erzbischofs fordern. Ein weiterer Zeuge wirft dem Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki vor, in einem prominenten Missbrauchsfall nicht die Wahrheit gesagt zu haben.

Stetter-Karp: „Lange Reihe von verstörenden Ereignissen“

Die Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Irme Stetter-Karp, sagte der Rheinischen Post (Freitag): “Ein Ende mit Schrecken statt ein Schrecken ohne Ende wäre in Köln längst angeraten gewesen.” Die jüngsten Entwicklungen seien “nur ein weiterer Punkt in einer langen Reihe von verstörenden Ereignissen”. Dass die Staatsanwaltschaft gegen Woelki ermittle und eine Mitarbeiterin ihn schwer belaste, sei “eine unerträgliche Situation, denn wir wissen alle, dass das Vertrauensband zwischen dem Kardinal und den Gläubigen in der Erzdiözese Köln seit langem überstrapaziert wird”.

Als “absoluten Tiefpunkt” bezeichnete die Sprecherin der Initiative Maria 2.0, Maria Mesrian, die Entwicklung: “Der Kardinal sollte so viel Gespür für die verfahrene Situation im Bistum haben und seine Ämter vorläufig ruhen lassen.” Für den Vorsitzenden des Diözesanrates im Erzbistum Köln, Tim Kurzbach, “bricht jetzt ein Kartenhaus von Unwahrheiten zusammen”. Eine der “schrecklichen Erkenntnisse” sei, dass Woelki als “selbst ernannter Aufklärer” zugebe, eine Liste mit aktiven Missbrauchstätern nicht beachtet zu haben, “nur um sich selbst zu verteidigen”.

Früherer Interventionsbeauftragte des Erzbistums bestätigt  Oliver Vogt bestätigt Angaben

Der frühere Interventionsbeauftragte des Erzbistums, Oliver Vogt, sagte dem WDR, der Kardinal habe sehr wohl schon 2015 eine Liste gesehen, auf der auch der Name des Ex-“Sternsinger”-Chefs Winfried Pilz gestanden habe. Vogt bestätigte die Angaben der Bistumsmitarbeiterin Hildegard Dahm im “Kölner Stadt-Anzeiger”, dass Woelki 2015 eine von ihr erstellte Liste mit 14 damals aktuellen Missbrauchsfällen – darunter auch Pilz – erhalten habe. Dahm habe die Liste ihrem damaligen Vorgesetzten, Personalchef Stephan Weißkopf, mitgegeben zu einer Sitzung mit Woelki, zu der auch Vogt eingeladen gewesen sei. “Er hat sie gesehen”, sagte Vogt im WDR.

Am Donnerstagabend hatte eine Gruppe von hauptamtlichen Beschäftigten im Erzbistum Köln Woelki aufgefordert, sein Amt ruhen zu lassen, solange die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft andauern. Zugleich solidarisierten sie sich mit ,Hildegard Dahm, die in einem Interview mit dem “Kölner Stadt-Anzeiger” (Mittwoch) neue Vorwürfe gegen den Erzbischof erhoben hatte. Daraufhin hatte die Staatsanwaltschaft offizielle Ermittlungen aufgenommen wegen des Vorwurfs, Woelki habe eine falsche Versicherung an Eides statt abgegeben.

Gruppe von Beschäftigten im Erzbistum fordert Erzbischof auf, sein Amt ruhen zu lassen

Der ehemaligen Mitarbeiterin der Personalabteilung, die heute als Verwaltungsleiterin in einer Pfarrei arbeitet, gelte “unser großer Respekt und unsere volle Unterstützung”, erklärte Gemeindereferentin Marianne Arndt: “Sie trägt mit ihrem Schritt an die Öffentlichkeit und ihrer Sicht der Dinge dazu bei, die Vertuschungsstrategien der Kölner Bistumsleitung zu entlarven.”

Die Erklärung des Erzbistums mit der Androhung arbeitsrechtlicher Konsequenzen sei “verletzend und missachtend gegenüber Frau Dahm”, sagte Arndt am Donnerstagabend der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Auf die Schnelle hätten bisher 16 hauptamtliche Mitarbeitende aus verschiedenen Berufsgruppen eine entsprechende Erklärung unterzeichnet. Sie gehe aber davon aus, “dass sich viele weitere anschließen werden”.

„Der Kardinal hat erneut das Vertrauen verspielt“

Zu den Unterstützern gehören Priester, Pastoral- und Gemeindereferentinnen, Professoren, Religionslehrkräfte sowie Vertreter katholischer Verbände. Im Sommer hatten sich rund 150 Menschen aus diesen Berufsgruppen einem Protest gegen den Kardinal angeschlossen und “personelle und systemische Veränderungen” gefordert. Im Erzbistum arbeiten eigenen Angaben zufolge rund 60.000 Menschen hauptamtlich für die katholische Kirche.

Den Mitarbeitenden falle es zunehmend schwer, sich loyal zu ihrem Arbeitgeber zu verhalten, erklärte Pastoralreferent Peter Otten: “Der Kardinal hat erneut das Vertrauen verspielt und es wird deutlich, dass er in seiner Leitungsverantwortung versagt hat.”

Prüfung von arbeitsrechtlichen Schritten angekündigt

Bei den Ermittlungen geht es im Kern um die Frage, wann genau Woelki mit dem Missbrauchsfall des früheren “Sternsinger”-Chefs Winfried Pilz befasst wurde. Er selbst erklärte in einem presserechtlichen Verfahren gegen die “Bild”-Zeitung an Eides statt, dies sei erst in der vierten Juni-Woche 2022 geschehen. Dem widersprach Dahm: Als Assistentin des damaligen Personalchefs im Erzbistum habe sie bereits 2015 eine Liste mit den Namen von 14 Priestern erstellt, denen Missbrauch angelastet wird. Darunter sei auch der Name Pilz gewesen.

Ihr Vorgesetzter habe die Liste zu einem Termin mit Woelki mitgenommen. “Mag sein, dass er sich das Blatt mit Pilz und den anderen 13 Namen nicht angeschaut hat. Aber befasst habe ich ihn damit. Ganz eindeutig”, sagte die Frau. Nach der Sitzung habe sie von ihrem Chef wissen wollen, wie Woelki auf die Liste reagiert habe. “Das hat den Kardinal überhaupt nicht interessiert”, habe er geantwortet.

Das Erzbistum wies alle Anschuldigungen zurück und kündigte die Prüfung von arbeitsrechtlichen Schritten an. Die Frau wisse selbst nicht, “ob der Kardinal diese, eine andere oder gar keine Liste gesehen hat, behauptet dieses aber einfach ins Blaue hinein”.

Kritik auch aus der Politik

Der emeritierte Bonner Kirchenrechtler Norbert Lüdecke sagte dem “Stadt-Anzeiger” (Freitag), ein Ruhenlassen des Bischofsamtes aus eigener Entscheidung sei in der Kirche nicht vorgesehen: “Das ist allein Sache des Papstes.” Lüdecke verwies aber darauf, dass der Hamburger Erzbischof Stefan Heße nach einem Rücktrittsgesuch im März 2021 die Amtsgeschäfte im Erzbistum bis zum ablehnenden Bescheid des Papstes von seinem Generalvikar wahrnehmen ließ. Ein Rücktrittangebot Woelkis liegt dem Papst seit Monaten vor. Franziskus hat darüber noch nicht befunden.

SPD-Landespolitiker Sven Wolf forderte den Rückzug des Erzbischofs: “Kardinal Woelki hat für einen so großen Vertrauensverlust in beiden Kirchen gesorgt, dass nur noch seine Entlassung die logische Folge sein kann”, sagte er dem “Stadt-Anzeiger”. Es reiche auch nicht, das Amt nur ruhen zu lassen. Der religionspolitische Sprecher der Grünen, Benjamin Rauer, forderte: “Sollte sich der Verdacht bestätigen, sollte Kardinal Woelki persönliche Konsequenzen ziehen.” Martin Sträßer, der Beauftragte der CDU-Fraktion für die katholische Kirche im NRW-Landtag, mahnte dagegen zur Zurückhaltung: “Solange die Staatsanwaltschaft ermittelt, gilt für den Kardinal die Unschuldsvermutung.”

kna