Bundesverfassungsgericht stärkt Rechte von Missbrauchsopfern

Betroffene von sexuellem Missbrauch haben vor Gericht einen Anspruch auf Aussagen unter Ausschluss der Öffentlichkeit.
Bundesverfassungsgericht stärkt Rechte von Missbrauchsopfern

Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. –Foto: © Monikabaumbach | Dreamstime.com

Karlsruhe/Köln – Betroffene von sexuellem Missbrauch haben vor Gericht einen Anspruch auf Aussagen unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Das hat das Bundesverfassungsgericht in einem am Freitag veröffentlichten Beschluss festgestellt. Das Recht der Opfer auf Wahrung ihrer Intimsphäre und das Ziel einer ungestörten Wahrheitsfindung seien hier höher zu bewerten als das Interesse der Öffentlichkeit und die Pressefreiheit, so der Tenor. Der Beschluss wurde bereits am 10. November von der 1. Kammer des Ersten Senats getroffen.

Mit dem Beschluss wies das höchste deutsche Gericht eine Verfassungsbeschwerde der Bild-Zeitung ab. Diese hatte unter Hinweis auf das öffentliche Interesse und die Pressefreiheit eine Beschwerde gegen das Oberlandesgericht Köln eingelegt. Das Gericht hatte für die Dauer der Vernehmung eines Missbrauchsbetroffenen die Öffentlichkeit aus dem Gerichtssaal ausgeschlossen und die anwesenden Medienvertreter zur Geheimhaltung verpflichtet.

In der Sache ging es um intime Details eines Missbrauchsfalls im Erzbistum Köln, der unter anderem wegen einer späteren Beförderung des mutmaßlichen Täters durch Kardinal Rainer Maria Woelki in die Schlagzeilen kam. Der Priester wehrt sich vor Gericht gegen Berichte der Zeitung. In anderen noch laufenden Verfahren streiten sich auch Woelki und “Bild” vor Gericht, weil sich der Kardinal durch Berichte der Zeitung über seinen Umgang mit Missbrauchsfällen falsch dargestellt fühlt.

Zur Begründung ihrer Entscheidung führten die Verfassungsrichter aus, das Schutzinteresse des Zeugen an der Wahrung seiner Anonymität und seines persönlichen Lebensbereichs sei wichtiger als das von der Bild-Zeitung beanspruchte Recht auf Berichterstattung in den Medien.

Im Einzelnen argumentierten die Richter, die Aufarbeitung sexueller Übergriffe auf Kinder und Jugendliche durch Mitarbeiter der katholischen Kirche stelle zwar ein Thema dar, “das von einem herausragenden öffentlichen Informationsinteresse begleitet wird”. Dennoch fänden Gerichtsprozesse “zwar in der, aber nicht für die Öffentlichkeit statt”. Einer unbegrenzten Öffentlichkeit der Verhandlungen vor Gericht stünden “gewichtige Interessen” gegenüber.

Der Ausschluss der Öffentlichkeit ziele “auf die Vermeidung von Einschüchterungseffekten ab”. Da das Beweisthema “Hintergrund, Hergang und Folgen sexueller Handlungen umfasst, die dem Zeugen widerfahren sein sollen, berührt es (…) dessen Recht auf freie Persönlichkeitsentfaltung und Wahrung seiner Intimsphäre.”

Diesem Recht auch in Prozessen Rechnung zu tragen, sei Aufgabe der Gerichte. Das öffentliche Informationsinteresse sei zudem nicht in gleicher Weise schützenswert wie “das öffentliche Interesse an einer ungestörten Wahrheits- und Rechtsfindung.”

kna